Enkelglück

Enkelglück Titelbild

Großeltern werden und sein

Die heutigen Omas und Opas entsprechen nicht mehr dem Bild aus dem Bilderbuch: Oma mit Dutt und Strickzeug, Opa mit der Pfeife im Sessel beim Lesen der Zeitung. Viele Großeltern stehen mitten im Leben, sind berufstätig und haben noch viel vor. Mit der Geburt des ersten Enkelkindes vollzieht sich ein Generationenwechsel – die Eltern werden zu Großeltern, Töchter und Söhne zu Müttern und Vätern. Durch die Neuverteilung der Rollen wird die gesamte Familiendynamik in Bewegung gebracht.

Doch die neuen Rollen, unterschiedliche Ansichten zur Kindererziehung und alte familiäre Konflikte bergen auch Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Was früher in der Erziehung von Kindern Maßstab war, gilt heute als überholt oder wurde von der Forschung widerlegt. Eltern, die moderne Ansätze verfolgen, fühlen sich manchmal von Großeltern missverstanden oder kritisiert. Gleichzeitig fühlen sich Großeltern verletzt, wenn ihre Erfahrungen nicht geschätzt werden.

Bei allen Konflikten gilt: Für ein harmonisches Miteinander ist es wichtig, offen miteinander zu reden und die eigenen Bedürfnisse sowie Bedenken klar zu formulieren. Denn Großeltern sind im Familienalltag eine wichtige Stütze und können Enkelkindern viel für das Leben mitgeben.

Enkelzeit

Die Beziehung zwischen Großeltern und den Enkelkindern ist eine ganz besondere. Über die Generationen hinweg wird eine wertvolle Verbindung aufgebaut, die das Leben aller bereichert. Großeltern haben einen großen Erfahrungsschatz, den sie an ihre Enkel weitergeben können. Beim gemeinsamen Kuchenbacken oder beim Helfen im Garten erzählen Opa und Oma Geschichten von früher und teilen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit den Enkeln. Dabei zeigen sie oft mehr Geduld bei der Beantwortung von Fragen als die Eltern.

Neben den Eltern können die Großeltern weitere Vertrauenspersonen sein, mit denen die Enkel Sorgen und Kummer teilen. Aber auch die Enkelkinder haben einen Einfluss auf die ältere Generation: Durch ihre kindliche Neugier und Unvoreingenommenheit lassen sie einen anderen Blickwinkel auf das Leben zu, von dem auch die Älteren lernen können. Die Enkelkinder genießen die Aufenthalte bei den Großeltern. Das Lieblingsessen wird gekocht, etwas unternommen und alles dreht sich um sie. Wer würde das nicht gut finden? Die Eltern sorgen sich dann meistens darum, dass die Kinder zu sehr verwöhnt werden.

Grossmutter mit Enkelin backen Plätzchen in Küche

© Andrea Piacquadio/Pexels

Wenn die Enkelkinder größer werden, ändern sich auch deren Interessen. Als Großeltern lernt man, sich immer wieder auf Neues einzulassen. Hat man bis vor kurzem noch mit dem Enkelkind Legobausätze zusammengebaut, ist plötzlich das Spiel auf dem Smartphone angesagt. Da ist es manchmal gar nicht so einfach, Schritt zu halten. Auf der anderen Seite sind Enkelkinder sehr nützlich, wenn es um das Bedienen von technischen Geräten geht. Sie können Oma und Opa dabei helfen, mit Smartphone, Tablet oder Notebook umzugehen.

Der richtige Umgang mit den modernen Medien ist besonders wichtig, wenn die Enkelkinder in der Ferne leben. Das heutige Leben bringt es mit sich, dass die Familie nicht mehr an einem Ort lebt, sondern in verschiedenen Landesteilen, manchmal sogar auf anderen Kontinenten. Videoanrufe über Skype oder Zoom ermöglichen die Teilhabe am gegenseitigen Alltag und den Austausch von Neuigkeiten. Über Messenger-Dienste wie z.B. WhatsApp können kurze Nachrichten und Bilder verschickt werden. Daneben werden regelmäßige Besuche eingeplant.

Einmischung oder Hilfe?

Großeltern übernehmen oft eine Unterstützerrolle, indem sie praktische Hilfe und emotionale Nähe bieten. Der Grat zwischen Unterstützung und Einmischung ist schmal. Gut gemeinte Ratschläge können von den Eltern als Kritik empfunden werden, auch wenn diese gut gemeint sind. Ein erster Schritt ist das Akzeptieren, dass die eigenen Kinder das Recht haben, ihre Kinder nach den eigenen Maßstäben zu erziehen. Denn die Enkel sind die Kinder von Tochter oder Sohn, nicht die eigenen.

Abwertende Bemerkungen über den Erziehungsstil oder das Bestehen auf überholte Methoden schaffen eine verstimmte Atmosphäre. Es geht nicht darum, wer es besser kann, sondern darum, den Eltern zur Seite zu stehen, wenn diese Unterstützung brauchen. Lösungsangebote sollten nur gemacht werden, wenn darum gebeten wird.

Grossvater mit Enkel

© Mikhail Nilov/Pexels

Wenn es um das Baby geht, entscheidet die Schwangere oder die Mutter darüber, wie sie entbinden möchte, ob sie stillt oder die Flasche gibt. Statt ungefragten Ratschlägen helfen Nachfragen, wie sich die Großeltern einbringen können, um die Eltern zu entlasten. Welche Form von Hilfe ist z.B. rund um die Geburt gewollt? Je nach Wunsch brauchen die Eltern vielleicht jemanden, der Essen vorbeibringt, der ältere Geschwister beschäftigt oder im Haushalt unterstützt, während die Eltern sich auf ihr neues Baby einlassen.

Es kann hilfreich sein, sich über neue Erziehungsmethoden zu informieren. Schließlich ist für die meisten Großeltern bereits einige Zeit vergangen, seitdem sie Babys zum Einschlafen herumgetragen oder mit dem Kleinkind zusammen Türme aus Bauklötzen gebaut haben. Das ist ein bißchen wie Fahrradfahren, man hat es nicht verlernt, ist aber noch etwas eingerostet. Außerdem gibt es neue Fahrradmodelle, die so nichts mehr mit den alten Modellen zu tun haben. Aber mit jeder Runde auf dem Fahrrad merkt man, dass es immer besser wird.

Lösungsansätze für ein harmonisches Miteinander

Offene Kommunikation

Regelmäßige Gespräche zwischen Eltern und Großeltern können helfen Missverständnisse zu vermeiden. Dabei sollten beide Seiten ihre Bedürfnisse offen ansprechen. Zuhören ist hierbei genauso wichtig wie das eigene Mitteilen. Ein respektvoller Austausch schafft Verständnis und stärkt die Beziehung, zum Wohl der Kinder und der gesamten Familie.

Grenzen respektieren

Großeltern sollten die elterlichen Entscheidungen respektieren und nicht das Gefühl vermitteln, es "besser" zu wissen. Eltern wiederum können Oma und Opa mehr Spielraum lassen, ihre eigene Beziehung zu den Enkeln zu gestalten.

Nachdenken über die eigene Elternschaft

Viele Großeltern sehen in der Beziehung zu den Enkelkindern eine zweite Chance, vieles anders oder "besser" zu machen als bei den eigenen Kindern. Dies kann zu einem positiven Austausch, aber auch zu Spannungen führen, wenn alte Konflikte wieder hochkommen. Ist das erste Enkelkind unterwegs, ist dies eine gute Zeit, über die eigene Elternschaft nachzudenken: Was war gut? Was würde ich heute anders machen? Wie bin ich selbst erzogen worden?

Die eigenen Kinder beobachten mitunter, wie die eigenen Eltern anders mit den Enkeln umgehen als mit der Tochter oder dem Sohn während der Kindheit. Der Vater, der früher wenig Zeit für seinen Sohn hatte, spielt nun stundenlang gemeinsam mit dem Enkel, und die Mutter, die mit Umarmungen in der Kindheit gegeizt hat, kuschelt mit der Enkelin. Dies kann ungelöste Beziehungsprobleme bei allen Beteiligten wieder an die Oberfläche holen. Tochter oder Sohn fühlen, dass sie etwas vermisst haben, während Vater oder Mutter die Erfahrung machen, dass sie Dinge vielleicht versäumt haben und es heute anders machen würden.

Grossmutter liest Enkelin aus Buch vor

© Kampus Production/Pexels

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Schuldgefühlen ist nicht leicht, dafür aber ein guter erster Schritt, um Beziehungsprobleme mit den eigenen Kindern anzugehen. Verzeihen und Verstehen in der Eltern-Kind-Beziehung kann herausfordernd sein, insbesondere wenn generationsbedingte Unterschiede und frühere Missverständnisse oder Verletzungen eine Rolle spielen.

Es ist nie zu spät, an familiären Beziehungen zu arbeiten. Manchmal genügt der Wunsch, alte Muster zu erkennen und aktiv zu ändern. Vergebung, sei es den Eltern oder sich selbst gegenüber, ist oft der Schlüssel, um Frieden zu finden. Eine professionelle Begleitung durch Therapie kann eine Unterstützung sein, wenn die Themen zu schwer wirken, um sie alleine zu tragen.

Eigene Bedürfnisse

Großeltern möchten die Zeit mit ihren Enkelkindern genießen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, dass sie ausschließlich für Betreuungsaufgaben verantwortlich sind. Viele Omas und Opas sind noch fest im Arbeitsleben verankert, andere sind bereits in Rente und haben Pläne, wie sie ihren Ruhestand gestalten möchten. Auch für sie beginnt mit dem ersten Enkelkind ein neuer Lebensabschnitt. Als Großeltern treten sie einen Schritt zurück und beobachten, wie ihre eigenen Kinder zu Eltern werden.

So viel Spaß die Zeit mit den Enkeln macht, es ist auch anstrengend sich um ein Kind zu kümmern. Nach einem Nachmittag mit der Enkeltochter oder dem Enkelsohn freuen sich Oma und Opa bestimmt auf einen ruhigen Abend auf dem Sofa. Wenn Großeltern Betreuungsaufgaben übernehmen möchten, bleibt die Frage nicht aus, wie viel sie noch leisten können, ohne sich zu überfordern.

Grosseltern machen Selfie von sich

© Marcus Aurelius/Pexels

Die eigenen Bedürfnisse dürfen nicht hintenangestellt werden. Schließlich haben auch Großeltern ein eigenes Leben, in dem sich nicht ständig alles um die Enkel dreht. Sollte die Betreuung des Enkels zu viel werden, ist es wichtig, klar "Nein" zu sagen und dies in einem offenen Gespräch zu klären.

Mehrere Großeltern

In Familien mit mehreren Großelternpaaren kann es zu Herausforderungen kommen, insbesondere wenn Gefühle wie Eifersucht oder Neid ins Spiel kommen. Manche empfinden das Verhältnis zu den Enkelkindern als ungerecht verteilt oder wünschen sich mehr Zeit mit ihnen. Doch wie können sich Großeltern in solchen Situationen respektvoll verhalten?

Zunächst ist es wichtig, die eigenen Gefühle wie Eifersucht oder Enttäuschung bewusst wahrzunehmen und offen mit den Eltern der Kinder zu sprechen. Klare Kommunikation ist hier der Schlüssel: Sollte der Eindruck bestehen, die Enkel zu selten zu sehen, sollte dies angesprochen werden. Fragen wie „Wie kann ich euch am besten unterstützen?“ oder konkrete Hilfsangebote können zeigen, dass Sie am Wohlergehen der Familie interessiert sind, ohne Erwartungen zu äußern oder Druck auszuüben.

Quellen:
Dr. Stoppard, Miriam: Großeltern. Die ersten Jahre mit dem Enkelkind. Dorling Kindersley, 2011.
Mayer-Rönne, Gundi u. Manutscheri, Carina: Oma werden, Oma sein. Der eigene Weg in ein gutes Miteinander mit Enkeln und Kindern. Beltz, 2021.