
Toben, Fußball spielen und Krach machen - Jungs mögen es gerne wild. Sie sind energiegeladen, testen Grenzen aus und finden Freude an Bewegung. Andererseits brauchen Jungen auch viel körperliche Nähe und Zuwendung, um emotionale Bindung zu erfahren. Was brauchen Jungen für eine gute Entwicklung?
Den „typischen Jungen“ gibt es nicht: Jeder Junge ist individuell. Der eine Junge klettert gerne auf Bäume, der andere geht es lieber ruhiger an. Alle haben aber eines gemeinsam: Jungen brauchen Eltern, die ihnen Halt und Orientierung geben, die Grenzen setzen, wenn es nötig ist, die Verständnis zeigen und vor allem Geduld haben, und ihre Jungs so annehmen, wie sie sind. Dabei spielt besonders der Vater als „männliches Vorbild“ eine wichtige Rolle.
Typisch Junge, oder was?
Unsere Sicht auf Jungen ist geprägt von Erwartungshaltungen und den eigenen Erfahrungen in unserem Umfeld. Dazu kommt die gesellschaftliche Sicht auf das, was einen Mann ausmacht. Aber was ist „männlich“ oder „typisch Junge“? Der Pädagoge Reinhard Winter beantwortet die Frage, ob es den „typischen Jungen“ gibt, auf folgende Weise: „Das einzig wirklich allen Jungen Gemeinsame ist, dass sie sich unterscheiden.“ Es gibt nicht DEN Jungen: Alle Jungen sind verschieden, und gerade diese Vielfalt macht sie besonders.
Es ist wichtig, sich als Eltern eines Sohnes mit der Frage „Was ist Männlichkeit?“ auseinanderzusetzen. Das Kind soll sich nicht den Vorstellungen von Männlichkeit, die die Eltern haben, beugen, sondern als Junge, so wie er ist, angenommen werden. Die Mutter ist im Allgemeinen der erste Mensch, mit dem der Junge eine Bindung aufbaut, aber die emotionale Bindung zum Vater ist für einen Jungen ebenso ausschlaggebend, um gut aufwachsen zu können. Allein schon durch das gleiche Geschlecht sieht der Sohn im Vater eine Identifikationsfigur.
Jeder Vater bringt auch seine eigenen Erfahrungen aus der Kindheit mit in die neue Vater-Sohn-Beziehung ein. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Vaterrolle zusehends verändert: Viele Väter entscheiden sich in bewusster Abgrenzung zu veralteten Rollenbildern für ein aktives Vatersein.
Bewegung und Freiräume
Jungen haben im Vergleich zu Mädchen einen höheren Anteil des Hormons Testosteron im Körper. Dieses Hormon hat Einfluss auf den Bewegungsdrang und das soziale Verhaltes. Es regt sowohl das Gehirn und die Muskeln an als auch das Selbstbewusstsein und die Risikobereitschaft. Kein Wunder also, dass viele Jungen sich gerne bewegen, springen, klettern und sich austesten - auch im Kampf gegeneinander. Wenn dieser natürliche Bewegungsdrang nicht ausreichend ausgelebt wird, kann dies dazu führen, dass sie unkonzentriert sind oder aggressiv werden. Eltern können diesen Bewegungs- und Behauptungsdrang unterstützen, indem sie ihrem Jungen genügend Bewegungsmöglichkeiten schaffen, z.B. draußen in der Natur oder durch Sport.

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Auch Rangeln und Spiele mit Wettbewerbscharakter sind bei Jungen beliebt: Wer springt weiter? Wer hat die beste erfundene Kung-Fu-Technik? Wer schafft die Strecke als Schnellster? Besonders beim Rangeln und spielerischen Kämpfen kommen Jungen voll auf ihre Kosten. Sie können sich bewegen, ihre Kräfte spielen lassen und treten in Wettkampf zueinander. Zugleich gibt es aber auch Regeln und Grenzen einzuhalten, d.h. der andere darf nicht verletzt werden, es wird keine Gewalt angewendet, und wenn einer nicht mehr möchte, ist das Spiel zu Ende. Genauso eignen sich Mannschaftssportarten, um Kindern Werte wie Fairness, Teamgeist und Toleranz zu vermitteln.
Jungen brauchen Freiräume, in denen sie sich ohne ständige elterliche Kontrolle entfalten können. Übermäßige Fürsorge bremst die Entwicklung des Kindes eher aus als sie zu fördern. Nur wenn Jungen selbstständig Erfahrungen sammeln dürfen, lernen sie, Verantwortung zu übernehmen und ihre Persönlichkeit zu stärken.
Nicht jeder Junge ist gleich: Vielleicht hat ihr Junge keine Lust, sich mit anderen zu messen und ist eher vorsichtiger. Dafür ist er interessiert an technischen Vorgängen, zeigt Forschergeist und möchte Neues erfahren. Wichtig ist es, die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes zu erkennen, darauf einzugehen und es darin zu bestärken. Gerade für Väter ist es oft schwer, wenn ihr Sohn nicht in die Fußstapfen des Vaters tritt, sondern sich für andere Dinge interessiert. Dies ist aber auch eine Chance, sich zusammen mit dem Sohn auf etwas Neues einzulassen, und auf diese Weise Bindung zu schaffen.
Grenzen setzen und in Kontakt bleiben
Klare Grenzen sind für Jungen wichtig, da sie ihnen Orientierung und Sicherheit geben. Regeln sollten dabei konsequent, aber mit Einfühlungsvermögen durchgesetzt werden. Es geht nicht darum, Gehorsam zu erzwingen, sondern den Jungen zu vermitteln, dass Grenzen notwendig sind, um ein respektvolles Miteinander zu gewährleisten.
Jungen testen oft ihre Grenzen aus, um ihre eigene Stärke und Selbstständigkeit zu erfahren. Eltern sollten dies als Teil der Entwicklung begreifen und mit Geduld sowie Konsequenz darauf reagieren. Ein „Nein“ sollte klar und verständlich sein, gleichzeitig aber in einem liebevollen und erklärenden Rahmen vermittelt werden.

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Wichtig ist, dass Eltern authentisch bleiben und selbst als Vorbilder für den respektvollen Umgang mit Regeln und Grenzen agieren. Kinder orientieren sich stark an dem Verhalten der Erwachsenen, weshalb klare Werte und ein konsequenter Erziehungsstil entscheidend für eine gesunde Entwicklung sind.
Gemeinsame Zeit schafft Bindung
Gemeinsam verbrachte Zeit als Familie ist wesentlich für die Entwicklung eines jeden Kindes. Gemeinsames Vorlesen, zusammen einkaufen oder einfach an einem Projekt arbeiten schafft eine natürliche Verbindung. Diese gemeinsame Alltagszeit gibt Jungen das Gefühl von Nähe und Geborgenheit und stärkt die Beziehung zwischen Eltern und Kind.
Jungen profitieren von echter Anteilnahme an ihren Hobbys und Interessen. Zuhören, Fragen stellen oder sich sogar selbst einmal an ihrem Lieblingsspiel oder Sport zu versuchen, zeigt Anerkennung und Wertschätzung. Auch Gespräche sind entscheidend: „Magst du erzählen, was passiert ist?“ – solche offenen Fragen helfen Jungen, ihre Gedanken zu ordnen und Emotionen auszudrücken. Gleichzeitig können Eltern durch das Teilen eigener Erfahrungen als Vorbilder auftreten.

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Auch im Haushalt können Jungen Verantwortung übernehmen, denn das stärkt ihr Selbstbewusstsein und vermittelt das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Erledigte Aufgaben machen stolz und bereiten auf das spätere Leben vor. So lernen sie, dass Fürsorge und Mithilfe nicht an alte Rollenbilder gebunden sind, sondern für alle Familienmitglieder selbstverständlich sein sollten.
Emotionale Kompetenzen stärken
Alle Gefühle sind normal und vollkommen okay. Dies sollte auch dem Kind vermittelt werden. Gerade Jungen brauchen Vorbilder, die ihnen zeigen, dass es normal ist, sich einmal auszuweinen oder seine Gefühle anzunehmen. Dass Weinen und Kummer nicht als Ausdruck von Schwäche angesehen werden. Auf diese Weise erlernen Kinder auch ein gutes Einfühlungsvermögen.

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Männlichkeit bedeutet nicht, Gefühle zu unterdrücken, sondern sie bewusst wahrzunehmen und auszudrücken. Ein Junge darf verletzlich sein, ohne dass seine Männlichkeit in Frage gestellt wird. Er muss nicht jede Herausforderung einer Rangelei annehmen, um sich zu beweisen – Männlichkeit ist nicht zwangsläufig mit Kampf und Konkurrenz verbunden, sondern bedeutet viel mehr, z.B. sich auf den anderen einzulassen, Rücksicht zu üben und für sich selbst oder andere einzustehen.
Links:
Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit
Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche
Aktive Vaterschaft/Familienportal NRW
Quellen:
Winter, Reinhard: Jungen. Eine Gebrauchsanweisung. Jungen verstehen und unterstützen. Beltz, 2011.
Scharnowski, Julia: Starke Jungs brauchen entspannte Eltern. Gelassen durch den Familienalltag. humboldt, 2020.
Steiner, Birgit Gegier: Artgerechte Haltung. Für eine jungengerechte Erziehung. Gütersloher Verlagshaus, 2016.
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