Mädchen stark machen

Mädchen mit bunten Händen

Selbstvertrauen, Mut und Eigenständigkeit fördern

Das Rollenverständnis der Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert: Die Erziehung von Mädchen zur Mutter und Hausfrau gehört glücklicherweise der Vergangenheit an. Heute haben Mädchen so viele Möglichkeiten und Chancen wie noch nie. Um diese zu nutzen, brauchen Mädchen Ermutigung, um sich selbst zu vertrauen, Neues auszuprobieren und für sich einzustehen.

Stereotypische Aussagen vermeiden

„Du heulst wie ein Mädchen!“ - Hand hoch, wer diesen Satz oder Ähnliches schon einmal gehört oder gesagt hat. Noch immer wird gerne tief in die Stereotypen-Kiste gegriffen, um Mädchen und Jungen miteinander zu vergleichen. Das, was Mädchen vermeintlich ausmacht, wird mit Schwäche gleichgesetzt. Dies ist auf mehreren Ebenen falsch. Einerseits ist es grundsätzlich falsch, alles Weibliche als schwach zu bezeichnen. „Mädchen“ ist kein Schimpfwort. Andererseits vermittelt man Jungen, dass das Zeigen von Gefühlen etwas Schlechtes ist, etwas, was es zu vermeiden gilt.

Im Grunde sind bei solchen Aussagen also Mädchen und Jungen die Verlierer. Mädchen bekommen immer noch zu oft gesagt, dass sie schwach sind, und Jungen, dass sie nicht weinen, sondern stark sein sollen. Es liegt an den Eltern und am Umfeld des Kindes, als gutes Beispiel voranzugehen, die eigenen Einstellungen und Aussagen zu hinterfragen und solche Ausdrücke nicht zu tolerieren.

Raufen und Rangeln

Mädchen dürfen sich schmutzig machen und sie dürfen toben. Damit werden nicht nur die motorischen Fähigkeiten gefördert, sondern auch das Selbstbewusstsein gestärkt. Durch Raufen und Rangeln werden sich Mädchen ihrer eigenen Körperlichkeit und ihrer Körperkraft bewusst. Außerdem ist eine kleine Rangelei prima, um Stress abzubauen. Zudem lernen Kinder dabei, ihre eigenen Grenzen und die Grenzen der anderen kennen. Mädchen dürfen wütend sein und sie dürfen ihre Wut ausleben, solange niemand dabei Schaden nimmt. Lieber knallen ein paar Türen, als dass die Gefühle unterdrückt werden. Denn unterdrückte Gefühle richten sich irgendwann gegen einen selbst.

Mädchen mit Gummistiefeln auf Baumstamm

© Rudy and Peter Skitterians/Pixabay

Lernen, „Nein“ zu sagen

In vielen Köpfen, leider auch in Frauenköpfen, herrscht noch immer die Vorstellung vor, Mädchen sollten aufopfernd und genügsam sein. Sich von dieser Vorstellung freizumachen, ist gar nicht so einfach, schließlich ist es noch nicht lange her, da zielte die Erziehung von Mädchen auf ein Dasein als Mutter und Hausfrau ab. Obwohl sich das Rollenverständnis der Frau stark gewandelt hat, sind die Altlasten noch als Verhaltensmuster und eingeprägte Sätze zu spüren. Wie oft erwischt man sich als Frau selbst dabei, wie die „Brave-Mädchen-Falle“ wieder zuschnappt, aus Angst, andere nicht zu enttäuschen, oder dem Wunsch, anderen zu gefallen.

Die eigene Meinung ist wichtig

Dahinter stehen Muster, die in der Kindheit erlernt oder durch das gesellschaftliche Umfeld geprägt wurden. Besonders für Mädchen ist es aber wichtig, zu lernen, „Nein“ zu sagen. Die eigenen Grenzen auszuloten und diese zu verteidigen. Die eigene Meinung zu vertreten. Eltern auf der anderen Seite müssen lernen, mit dem „Nein“ der Tochter umzugehen. Und vor allen die Meinung des Kindes ernst zu nehmen. So darf kein Kind, ob Mädchen oder Junge, zu Körperkontakt gezwungen werden, auch wenn es „nur“ ein Küsschen zur Begrüßung auf die Wange der Oma ist. Das Kind entscheidet selbst, ob es das möchte.

Starkes Mädchen Selbstverteidigung

© RDNE Project/Pexels

Ein Nein ist ein Nein

Es ist auch nicht in Ordnung, wenn ein Junge auf dem Spielplatz oder im Kindergarten ein Mädchen ärgert oder piesackt, und das mit dem Satz „Der Junge mag dich“ heruntergespielt wird. Jemanden zu ärgern, zeigt keine Wertschätzung, sondern nur, dass Grenzen übertreten werden. Eltern sollten ihrem Mädchen beibringen, wie das Mädchen sich wehren kann, z.B. indem es laut und deutlich Nein sagt, und wo und wie es sich Hilfe holen kann. Als Eltern kann man deutlich zeigen, dass solch ein Verhalten nicht in Ordnung ist, und dies auch mit dem betreffenden Jungen besprechen. So lernen Mädchen mit Konflikten umzugehen und diese nicht zu vermeiden. Sie lernen, die eigene Meinung zu vertreten und sich durchzusetzen, ohne zu schlagen.

Vertrauen in die Fähigkeiten haben

Ein schöner Tag auf dem Spielplatz: Das Mädchen rennt zum Klettergerüst, bereit hinaufzuklettern und zum ersten Mal das Klettergerüst zu erobern. Die Hände halten sich fest und der Fuß ist schon auf der ersten Sprosse. Dann der Ruf der Mutter: „Stopp! Das kannst du noch nicht! Spiel lieber im Sandkasten.“ Zu oft werden Mädchen noch immer ausgebremst, wenn sie etwas ausprobieren möchten.

Dabei geht es auch anders: Die Mutter kann z.B. sagen: „Warte, ich stehe hinter dir. Ich helfe dir, wenn es nötig ist.“ Auf diese Weise kann das Mädchen sich ausprobieren, es weiß aber, da ist jemand, der mir vertraut und dem es vertrauen kann. Solche Erfahrungen geben Mädchen Selbstvertrauen in ihr eigenes Können. Es lehrt sie auch, dass es Hindernisse gibt, die es zu überqueren gibt, und dass, wenn es beim ersten Mal nicht gut geklappt hat, beim nächsten Mal schon einfacher geht.

Mädchen klettert auf Baum

© Pezibär/Pixabay

Wertschätzung zeigen

Statt immer nur Äußerlichkeiten wie Kleidung oder angepasstes Verhalten zu kommentieren („Was für ein schönes Kleid“ oder „Wie brav du heute warst“), sollten wir auch Mut, Risikobereitschaft und Durchsetzungsvermögen anerkennen. Ein Kind muss sich die Liebe nicht durch Wohlverhalten oder gute Leistung verdienen – sie sollte bedingungslos sein. Mädchen sollten spüren dürfen, dass sie geliebt und angenommen sind, auch wenn sie Fehler machen oder nicht immer den Erwartungen entsprechen. Fehler gehören zum Lernprozess dazu und sind kein Grund, Anerkennung zu entziehen. So entsteht ein gesundes Selbstwertgefühl, das nicht an äußere Bestätigung geknüpft ist.

Vorbild sein und die eigene Erwartungen hinterfragen

Alle Kinder lernen am Beispiel: Mädchen brauchen als starke Vorbilder Heldinnen und Helden, die ihnen in Alltagssituationen Orientierung gegen können und ihre eigenen Gefühle widerspiegeln. Bilder- und Kinderbücher, die von starken Mädchen handeln oder Frauen aus Wissenschaft, Politik, Kultur, Sport und Geschichte vorstellen, stärken Mädchen in ihrem Selbstvertrauen. Weibliche Vorbilder, die in den verschiedensten Lebensbereichen oder Jobs tätig sind, zeigen Mädchen, dass ihnen eine Fülle an Möglichkeiten offensteht.

Bücher für starke Mädchen:

"Good Night Stories for Rebel Girls - 100 außergewöhnliche Frauen" von Elena Favilli und Francesca Cavallo, Hanser Verlag.
"Frauen, die die Welt veränderten" von Dela Kienle und Cordula Thörner, Carlsen Verlag.
"Von acht Prinzessinnen, die keinen Retter brauchen" von Natasha Farrant, mvg-Verlag.

Die größten Vorbilder für Kinder sind und bleiben aber die Eltern. Selbst ein gutes Vorbild zu sein, zeigt oft mehr als Worte. Mütter können ihren Mädchen neben Stärke auch die Bedeutsamkeit für Selbstfürsorge vermitteln. Dass es okay ist, nicht perfekt zu sein, und nicht alle Erwartungen erfüllt werden müssen. Erlebt das Mädchen eine gerechte Aufteilung des Haushalts und der Sorgearbeit auf beide Elternteile und sieht, dass die Eltern als Paar respektvoll miteinander umgehen, wird es dies auch in seinem späteren Leben für sich einfordern. Väter können ihre Interessen mit ihren Töchtern teilen. Ob Fußball, Handwerkliches oder Technik – zusammen etwas mit dem Papa zu machen oder zu bauen, macht auch Mädchen Spaß. Im Vordergrund steht die gemeinsam verbrachte Zeit.

Mädchen mit Bohrer

© cottonbro/Pexels

Offen für Neues sein

Die eigene Erziehung und die Gesellschaft, in der wir leben, beeinflussen die eigene Erwartungshaltung. In unseren Köpfen hat sich mitunter ein bestimmtes Bild eingenistet, wie wir uns ein Mädchen vorstellen oder wie sich ein Mädchen zu verhalten hat.  Es ist wichtig, die eigenen Vorurteile zu hinterfragen und sich bewusst zu machen, wie stark Medien, Social Media und gesellschaftliche Einflüsse unsere Erziehung und unseren Umgang mit Mädchen prägen können. Oft übernehmen wir unbewusst stereotype Vorstellungen davon, wie ein Mädchen zu sein hat. Daher sollten wir versuchen, uns nicht von solchen Bildern leiten zu lassen, sondern offen für Neues zu sein und die Individualität jedes Kindes anzuerkennen. Indem wir die Interessen des Kindes ernst nehmen und gezielt fördern, schaffen wir Raum für eine freie und vielfältige Entwicklung – jenseits von Rollenklischees.

Weiterführende Literatur:
Dr. Bildau, Judith: Starke Mädchen brauchen entspannte Eltern. humboldt, 2020.
Biddulph, Steve: Mädchen! Wie sie selbstbewusst und glücklich werden. Heyne, 2013.
Damour, Lisa: Wenn Töchter erwachsen werden. Was Mädchen in der Pubertät brauchen. Kösel, 2016.


Titelbild: © Prashant Sharma/Pixabay