Achtsamkeit für ein gutes Miteinander

Der Begriff Achtsamkeit ist seit ein paar Jahren überall zu finden. Es gibt Ausmalbücher für mehr Achtsamkeit beim Discounter zu kaufen und im Buchladen stapeln sich auf den Verkaufstischen die Bücher zum Thema. Doch was ist Achtsamkeit eigentlich und wie kann diese sich positiv auf mein Leben auswirken?

Pusteblume vor Himmel

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Achtsam sein, heißt den gegenwärtigen Moment ohne Bewertung und bewusst wahrzunehmen. Anstatt im Hier und Jetzt zu sein, kreisen unsere Gedanken meist um vergangene oder zukünftige Dinge. Dies führt zu Stress und birgt ein höheres Risiko krank zu werden. In den Alltag integrierte Achtsamkeitsübungen können helfen, Stress zu reduzieren, ermöglichen einen besseren Umgang mit den eigenen Gefühlen und verringern das Risiko für Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen.

Zwei Kinder schauen sich umarmend auf Feld

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Wenn wir keinen Frieden und keine Freude haben, werden wir Friede und Freude auch nicht mit anderen teilen können. -Thich Nhat Hanh

Das aus der buddhistischen Lehre entstammende Achtsamkeitstraining trainiert das Gehirn. Besonders die Hirnareale, die für die Selbststeuerung, die Wahrnehmung der eigenen Gefühle und für die Fähigkeit zur Empathie zuständig sind, werden durch das Achtsamkeitstraining beeinflusst.

Training für das Gehirn

Unser Gehirn produziert andauernd Gefühle, Bilder Gedanken. Schon kleine Dinge können in uns große Emotionen auslösen. Oft erinnern auch Geschehnisse an unangenehme Erfahrungen, die man früher gemacht hat. Sofort ist das Erlebnis und das damit verbundene Gefühl wieder präsent. Dies verstellt uns aber den Blick auf die heutige Realität.

Gefühle wertfrei betrachten

Das Ziel ist es, negative Gedanken zu erkennen und diese zu verwandeln sowie Gefühle zu erkennen und zu zulassen.  Gefühle wie Freude, Glück und Zufriedenheit sind uns willkommen, aber Wut oder Traurigkeit fühlen sich unangenehm an. Deshalb möchten wir diese Gefühle schnell wieder loswerden oder gar nicht erst fühlen. Aber auch unangenehme Gefühle sind wichtig und sollten angenommen werden. Denn sie können helfen, um Klarheit über Situationen und Begegnungen zu erhalten. Durch Achtsamkeitsübungen kann man trainieren, alle Gefühle wertfrei zu betrachten und stabiler mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen.

Frau und Kind neben Baum lachen in Kamera

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Wenn wir gut für unsere Kinder sorgen wollen, müssen wir gut für uns selber sorgen können. -Thich Nhat Hanh

Gerade im Familienalltag liegen die Nerven schnell mal blank. Jeder kennt solche Situationen: Eigentlich sollte die Große schon auf dem Weg zur Schule sein, trödelt aber. Der kleine Bruder liegt brüllend auf dem Boden und hat einen Wutanfall. Achtsamkeit lässt diese Situationen nicht verschwinden, aber unsere Einstellung dazu kann sich ändern.

Gelassenheit weitergeben

Mit etwas Übung gehen wir gelassener mit den Höhen und Tiefen des alltäglichen Lebens um. Und diese Gelassenheit überträgt sich auch auf unsere Kinder und hilft ihnen schwierige Situationen, z. B. Tests in der Schule, Streit mit Freund*innen, besser zu meistern. Fragen, die sich Eltern stellen sollten, sind in diesem Fall: Was fühlt mein Kind, wenn es einen Wutanfall hat oder herumtrödelt? Wie kann ich das Kind unterstützen, ohne sein Verhalten zu verurteilen? Sich diese Fragen zu stellen, bringt oft mehr als ein "Bist du jetzt still!" oder "Trödel' nicht rum!"

Festen Termin setzen

Denn Hand auf's Herz: Wenn wir keinen stressigen Tag haben, reagieren wir auf Wutanfälle und Trödeleien viel versöhnlicher als wenn wir gerade im Stress versinken. Warum also nicht diese Gelassenheit trainieren, um auch in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren? Wie mit jedem Training ist auch im Falle der Achtsamkeit das regelmäßige Üben wichtig. Am besten ist es, sich einen festen Termin am Tag zu setzen. Zum Beispiel, morgens nach dem Aufstehen oder abends, wenn alle Dinge des Tages erledigt sind. Es reicht, sich täglich fünf Minuten Zeit zu nehmen, solange man es regelmäßig tut.

Mädchen pflückt Blumen auf Wiese

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Achtsamkeit für Kinder

Auch Kinder sind mit zunehmendem Alter immer mehr Stress ausgesetzt. Sei es durch die Schule, eine Fülle an Freizeitaktivitäten, Probleme mit Freunden oder Eltern oder zu viel Medienkonsum. Zu viel Stress aber kann dazu führen, dass Kinder mit Unruhe, Wut oder Aggression reagieren. Vielleicht ziehen sie sich aber auch zurück und treffen sich nicht mehr mit ihren Freunden. Achtsamkeitstraining hilft Kindern einen positiven Umgang mit Stress zu erlernen.

Achtsamkeit für Familien

  • Bewusst atmen

Beim Atmen haben wir den Autopilot angestellt. Wir atmen, ohne dass es uns bewusst ist. Doch wir können uns das Atmen bewusst machen, indem wir uns hinlegen- oder setzen, die Augen schließen und unsere Atmung beobachten. Wie wir durch die Nase ein- und wieder ausatmen. Die Luft einströmt und unsere Nasenlöcher wieder verlässt. Der Brustkorb und unser Bauch sich hebt und wieder senkt. Hierbei kann es auch hilfreich sein, eine Hand auf die Bauchdecke zu legen.

  • Den eigenen Körper spüren

Neben dem bewussten Atmen ist auch die Körperwahrnehmung eine gute Übung, um Achtsamkeit zu trainieren. Beim sogenannten Bodyscan erspürt man nach und nach seinen ganzen Körper und nimmt diesen wertfrei wahr. Wie mit einem inneren Scanner tastet man seinen Körperteile ab und kommt so zur Ruhe. Wie der Bodyscan funktioniert, zeigt Euch das YouTube-Video von Yoga mit Martina.

  • Essen schmecken

Oft lassen wir uns gar keine Zeit mehr für unser Essen. Das Brötchen in der Mittagspause wird schnell heruntergeschlungen und das Abendessen ist nach zehn Minuten aufgegessen. Dabei könnt Ihr auch in Ruhe ohne Ablenkungen (also kein Fernseher, Tablet oder Smartphone) zusammen als Familie essen. Fragt Euch: Wie schmeckt das Essen? Schmecke ich Gewürze heraus? Woraus ist es gemacht?

  • Momente genießen

Ja, es gibt sie, die großen Momente im Leben. Aber genauso wichtig sind die kleinen Momente: das gemeinsame Lachen, der Mond am Sternenhimmel oder umarmt zu werden. Sie sind die eigentlichen großen Momente in unserem Leben und haben es mehr als verdient, bewusst wahrgenommen zu werden.

  • Zuhören

Die Augen schließen und die Geräusche der Umgebung wahrzunehmen gehört ebenso zur Achtsamkeitspraxis wie ein rücksichtsvoller Umgang mit Kindern oder Erwachsenen. Rücksichtsvoll bedeutet in diesem Fall: zuzuhören. Und zwar bewusst und ohne sich ablenken zu lassen. Wie oft hören wir nur mit halben Ohr zu und nicken zustimmend, ohne genau zu wissen, worum es geht. Dabei möchten auch wir gehört werden. Die Akademie für Lerncoaching aus der Schweiz hat ein tolles YouTube zum Thema "Achtsamkeit in der Schule" eingestellt.

Übung „Ohren auf“

Einen Zeitmesser auf 5 Minuten stellen. Bequem hinsetzen und Augen schließen. Die Geräusche um sich herum wahrnehmen, ohne diese zu bewerten. Wenn man abschweift, dies kurz wahrnehmen und sich wieder auf die Geräusche konzentrieren.

  • Perfektionismus, ade

So etwas wie einen perfekten Menschen gibt es nicht. Auch wenn Werbung und Medien uns dies weismachen möchten. Wenn wir dies verinnerlichen und nicht versuchen, unrealistischen Idealen hinterherzulaufen, können wir uns von Schuldgefühlen lösen und haben Zeit und Energie für die wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben.

  • Eins nach dem anderem

Ist es wirklich so toll, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun? Diese verrichtet man dann meist halbherzig und am Ende des Tages ist man abgeschlagen und die Hälfte noch nicht erledigt. Jeden Tag sollte die Frage lauten: Was ist heute wichtig? Bei der Erledigung der Aufgaben sollte darauf geachtet werden, dass eins nach dem anderen gemacht wird. Wenn wir die Waschmaschine einräumen, räumen wir die Waschmaschine ein und beschäftigen uns im Gedanken nicht schon mit dem Einkauf oder der Arbeit. Wenn wir Hausaufgaben machen, konzentrieren wir uns auf die Hausaufgaben. Sollten die Gedanken dennoch abschweifen, hilft es sich genau dies zu sagen: Eins nach dem anderen.

  • Orange oder Zitrone?

Was haben Zitrusfrüchte mit Achtsamkeit zu tun? Es geht ganz einfach darum, am Ende des Tages zu überlegen, was gut (Orange = süß), was nicht so gut war (Zitrone = sauer). Egal, ob Kind oder Erwachsener, es tut gut, darüber zu sprechen, was uns am Tag beschäftigt hat. Wir richten den Blick auf  positiven Erfahrungen, vernachlässigen aber auch nicht Situationen oder Gefühle, die uns unangenehm waren. Hat man seine Zitrone und Orange ausgequetscht, kann man sich noch die Frage stellen: Worauf freue ich mich morgen?