Als Paar Krisen bewältigen

Wenn die Phase der Verliebtheit nachlässt und der Alltag sich in der Beziehung einnistet, zeigt sich, dass Liebe allein nicht ausreicht, um eine Partnerschaft am Leben zu halten. Wie eine Pflanze, die Wasser, Luft und guten Boden zum Gedeihen braucht, sollte auch die Beziehung zum Partner durch Nähe und Verständnis gepflegt werden. Das ist gar nicht so einfach. Schließlich gibt es neben der Partnerschaft auch noch die Familie, den Beruf und den Alltag. Da bleibt oft zu wenig oder keine Zeit für die Zweisamkeit.

Krisen bewältigen

Schwierige Phasen gibt es in einer Beziehung immer. Paare durchlaufen gemeinsam eine Vielzahl von Übergängen. Es wird zusammengezogen, aus einem Paar wird ein Ehepaar, man wird Vater und Mutter, es wird umgezogen, es ergeben sich persönliche oder berufliche Veränderungen, Ungeplantes tritt ein, einer der Partner wird krank. Genauso können unterschiedliche Vorstellungen vom Leben oder unterschiedliche Bedürfnisse zu einem Konflikt zwischen Partnern führen. Außerdem hat der ganz banale Alltag und der damit verbundene Stress Auswirkungen auf die Beziehung, wenn neben Kindererziehung, Beruf und Haushalt nur wenig oder gar kein Platz mehr für die Liebe bleibt.

Krise als Chance

Gerade in Zeiten der Veränderungen sind Paare anfällig für Krisen. Aber Krisen sind auch eine Chance auf etwas Neues. Um Krisen als Paar zu bewältigen rät die Psychologin Daniela Bernhardt dazu, sich erstens seiner eigenen Bedürfnisse klar zu werden. In einem zweiten Schritt geht es darum, den Partner wieder wahrzunehmen und miteinander zu reden, um gemeinsame Lösungen für Probleme zu finden. Als drittes steht die Zweisamkeit. Beide Partner arbeiten daran, sich mehr Zeit füreinander zu nehmen, damit die Liebe wieder aufblühen kann.

Paar haben sich nichts mehr zu sagen nach Streit

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Liebe ist Arbeit

"Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit." - So formulierte es Hape Kerkeling in seiner Rolle als niederländische Paartherapeutin Evje van Dampen, und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Liebe wird oft als gegeben angenommen. Sie ist ja da. Warum sollte etwas dafür getan werden? Aber so einfach ist es nicht. Denn Liebe bedeutet tatsächlich Arbeit. Guy Bodenmann, Paartherapeut und Professor an der Universität Zürich, beschreibt die Liebe in einer Partnerschaft wie eine Pflanze, die gepflegt werden sollte. Verständnis, Nähe und das Wahrnehmen der eigenen sowie der Bedürfnisse des Partners lassen die Pflanze gedeihen und aufblühen. Wird sie vernachlässigt, bekommt sie wenig oder gar kein Wasser und Dünger, trocknet langsam die Erde aus, die Blätter werden welk und die Pflanze verkümmert nach und nach.

Jetzt kommen wir zum Arbeitsteil in der Partnerschaft. Denn um das Verwelken der Liebe zu verhindern, braucht es bestimmte Kompetenzen. Sozusagen Gartenwerkzeuge der Partnerschaft. Als diese Kompetenzen gelten: Wie spricht man Konflikte an? Wie werden heikle Themen diskutiert? Achte ich auf meine eigene Bedürfnisse? Gehe ich auf die Bedürfnisse meines Partners ein? Welche Erwartungen oder Ansprüche habe ich?

Person hält Pflanze in Hand

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Liebe ist eine zarte Pflanze, sie gedeiht bei guter Pflege.- Guy Bodenmann, Paartherapeut und Psychologe

Große Erwartungen

Erhöhte Erwartungen an sich selbst und den Partner führen zu Problemen in der Beziehung. Ist die erste Verliebtheit abgeklungen, fangen wir an, den Partner mit dem Wunschbild, das wir vom einem Partner haben, abzugleichen. Die Macken, die uns vorher nicht bewusst waren, treten in den Vordergrund. Besonders Menschen, die an sich selbst und ihre Mitmenschen hohe, zuweilen unrealistische Ansprüche knüpfen, werden in ihren Erwartungen enttäuscht. Nicht umsonst, spricht man davon, dass der Traumprinz oder die Traumprinzessin sich als Frosch entpuppt.

Realität passt nicht zum Idealbild

Groß ist oft der Wunsch nach dem Partner als ideale Ergänzung. Doch dies ist bereits die Wurzel für späteren Beziehungsfrust. Auf diese Weise kann der wirkliche Partner nur verlieren, da der Blick stets das im Auge hat, was nicht passt. Über kurz oder lang wird der Partner und sein Verhalten abgewertet. Den Partner so zu akzeptieren, wie er ist, mit all seinen Stärken und Schwächen, heißt auch die eigenen Erwartungen zu hinterfragen. Zu diesen problematischen Erwartungen gehören z.B. die Annahmen, dass der Partner immer weiß, was der andere denkt, braucht oder fühlt, dass er alle Wünsche erfüllen muss, oder dass es keine Meinungsverschiedenheiten geben darf.

Grüner Frosch sitzt auf Tisch mit Krone

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Unsere Erwartungshaltung hat ihren Ursprung zumeist in Verhaltensmustern, die wir in der Kindheit erlernt haben. Aber auch Bücher und Filme haben sicher ihren Anteil daran, dass von der perfekten Partnerschaft geträumt wird. Wird uns jedoch bewusst, dass wir Traumbildern hinterherjagen, ist es einfacher, Wünsche und Erwartungen an die Realität anzupassen.

Kommunikation

Während eines Gesprächs oder eines Streits kommt es sehr schnell zu Missverständnissen. Das Gesagte wird vom Gegenüber nicht so aufgenommen, wie man es eigentlich gewollt hat. Unbedachtes rutscht raus und der Streit schraubt sich plötzlich in ungeahnte Höhen. Auf Klagen oder Kritik folgen Rechtfertigungen oder der Rückzug ins Schweigen. Zurück bleiben verhärtete Fronten. Dagegen haben Partner, die gut miteinander über Konflikte reden können und gemeinsam nach Lösungen suchen, ein geringeres Risiko für eine Trennung oder Scheidung.

Zwei sitzende Personen halten Hände

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Bodenhaftung beim Streiten erhält man wieder, indem von Verurteilungen, Besserwisserei oder Sticheleien Abstand genommen wird. Die Situation, die einen gestört hat, wird klar beschrieben, das dabei ausgelöste Gefühl und das Bedürfnis, das dahinter steht, werden geäußert. Da wir keine Gedanken lesen oder per Handauflegen die Gefühle des anderen erspüren können, ist das gemeinsame Gespräch das Mittel der Wahl, um uns auszudrücken. Denn man kann nur einen kleinen Teil des Partners wahrnehmen.

Zuhören üben

Beim offenen Umgang miteinander ist nicht das Reden die größte Schwierigkeit, sondern das Zuhören. Wird etwas gesagt, was uns nicht passt, kontern wir schnell mit einer Rechtfertigung. Meistens wird dabei der Partner im Reden unterbrochen. Eine Kommunikation, die zu etwas führen soll, sieht aber anders aus. Aber wie alles, lässt sich auch das Zuhören üben. Wir hören zunächst auf das, was der Partner zu sagen hat. Dann fassen wir zusammen, was wir meinen, verstanden zu haben. Dies gibt dem Partner die Möglichkeit, sich zum besseren Verständnis noch klarer auszudrücken. Danach können wir unsere eigene Ansicht kundtun.

Ich-Botschaften statt Du-Klagen

Zuhören bedeutet nämlich, dass ich meinem Partner vermittle: "Ich höre dir zu, weil mir das, was du mir sagen willst, wichtig ist." Erst wenn wir uns angenommen fühlen, sind wir offen und bereit für Lösungsvorschläge. Schließlich geht es selbst beim Streit über das Aufräumen der Spülmaschine um Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Mithilfe von Ich-Botschaften vermitteln wir Gefühle und Wünsche, und umgehen auf diese Weise den anklagenden Zeigefinger der "Du-Sätze". Mal ehrlich, ein "Ich bin ärgerlich, dass die Spülmaschine nicht ausgeräumt ist. Ich wünsche mir, dass die Aufgaben im Haushalt von uns beiden übernommen werden, damit wir durch geteilte Arbeit mehr Zeit für uns haben." hört sich wesentlich besser an als ein "Du hast die Spülmaschine schon wieder nicht aufgeräumt!"

Zwei Finger nebeneinander mit Gesichtern und aufgemalten rotem Herz vor rotem Hintergrund

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Streiten will gelern sein

Zu einer guten Streitkultur gehören auch Auszeiten. Wenn der Streit ausartet oder man sich im Kreis dreht, ist es von Vorteil, den Streit zu vertagen oder eine kurze Auszeit zu nehmen. Ein "Stopp" und "Ich gehe mal kurz fünf Minuten raus. Danach reden wir weiter. Ist das okay?", um das Gesagte erst einmal sacken zu lassen, helfen daraufhin wieder mit klaren Kopf miteinander reden zu können.

Als hilfreich haben sich feste Streitzeiten erwiesen. Gemeinsam mit dem Partner wird ausgemacht, wann und wie lange diskutiert werden soll. Dinge, die einem im Alltag aufgeregt haben, können dann zu der vereinbarten Zeit angesprochen werden. Einiges, was im ersten Moment Ärger ausgelöst hat, wird nach einigen Stunden schon ganz anders bewertet. Für feste Streitzeiten gibt es nur zwei Bedingungen: nicht vor den Kindern streiten und den Termin nicht zu spät abends vereinbaren. Denn ein gesunder Schlaf ist wichtig.

Schuld und Entschuldigung

Der Theologe und Psychotherapeut Hans Jellouschek weist in seinem Buch "Wie Partnerschaft gelingt - Spielregeln der Liebe" darauf hin, dass wir uns trotz allem Bemühens gegenseitig verletzen. Dies kann immer wieder passieren. Was sich ändern sollte, ist der Umgang damit. Anstatt sich die Schuld gegenseitig zuzuschieben, stoppt man das Karussell der Schuldzuweisung mit einem „Es tut mir leid“. Dies zeigt, dass man die Wunde des anderen wahrnimmt und die Verletzung anerkennt. Hat man sich ausgesöhnt, sollte die Verletzung nie mehr als Vorwurf im Streit eingebracht werden. Eine Entschuldigung sollte zudem aufrichtig sein, kein "Entschuldigung, aber... ."

Paar-/Eheberatung im Haus der Familie Puderbach

Die Paar-/ Eheberatung im Haus der Familie Puderbach unterstützt Sie bei allen Fragen rund um Beziehung und Leben. Wenn Ihre Partnerschaft/Ehe in der Krise steckt. Es zu Problemen wegen einer Trennung oder Scheidung kommt. Sie persönlich in Ihrem Leben mit Belastungen und Krisen zu tun haben. Bei all diesen Anliegen haben die BeraterInnen ein offenes Ohr für Sie. Natürlich werden alle Gespräche vertraulich behandelt. Das Angebot ist kostenlos.

Unter der Online-Terminbuchung können Sie einen Termin zu einem Erstgespräch vereinbaren.

Bedürfnisse

In einer Partnerschaft dürfen die eigenen Bedürfnisse nicht untergehen. Wenn nur ein Partner seine Bedürfnisse ausleben kann und der andere auf der Strecke bleibt, wirkt sich das auch auf die Beziehung aus. Dann ist es Zeit, sich selbst einmal an erster Stelle zu setzen. Sich zu fragen: Was ist mir wichtig? Was sind meine Wünsche und Ziele? Wo sind meine Grenzen? Bei Freunden fällt es uns leicht, Beziehungstipps zu geben, zu raten, Nein zu sagen und Grenzen in der Partnerschaft zu setzen. Geht es um uns selbst, sieht das meist ganz anders aus. Dabei können auch wir uns selbst ein guter Freund sein und uns gut behandeln.

Frau liegt auf Wiese und entspannt

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Letztlich können wir nur so gute Eltern oder Partnerinnen oder Partner sein, wie wir uns selber gut fühlen. Darum ist es wichtig immer wieder zurückzutreten, zu reflektieren und sich vor Augen zu halten: Die perfekte Beziehung und die perfekte Partnerschaft gibt es nicht. - Guy Bodenmann, Paartherapeut und Psychologe

Zeit für die Partnerschaft

Eine Partnerschaft braucht gemeinsame Räume und Zeiten, in denen sie wert geschätzt wird. Im Alltag Zeit für die Zweisamkeit zu finden, ist nicht immer leicht. Besonders wenn man Kinder hat. Gemeinsame Hobbys und Interessen schaffen Bindung und stärken den Zusammenhalt. Paare, die einen stressigen Familienalltag haben, kann ein fester Termin helfen, um Zeit für die Partnerschaft zu schaffen. Ein Abend in der Woche zum Beispiel, an dem ein Babysitter oder die Großeltern auf die Kinder aufpassen, damit zu zweit etwas unternommen werden kann. Oder gemeinsam neue Dinge ausprobiert werden.

Streit und Stress haben auch großen Einfluss auf das Liebesleben. Sexprobleme sind oft Begleiterscheinung von Konflikten in der Partnerschaft. Was am Anfang aufregend und neu war, wird mit der Zeit von Routine und Alltag ersetzt. Gerade für Paare, die in die Familienphase eintreten, rückt die Sexualität erst einmal in den Hintergrund. Was ganz normal ist, denn wie die Beziehung durchläuft auch das Liebesleben verschiedene Phasen. Wichtig ist es, offen über Sex zu sprechen, seine Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen. So seltsam es klingt, es kann hilfreich sein, sein Liebesleben im  stressigen Alltag fest einzuplanen.

Literatur:

Bodenmann, Guy: Bevor der Stress uns scheidet. Resilienz in der Partnerschaft. Huber, 2015.
Bernhardt, Daniela: Raus aus dem Beziehungs-Burnout. Ariston, 2012.
Hansen, Hartwig: Respekt - Der Schlüssel zur Partnerschaft. Klett-Cotta, 2008.
Juul, Jesper: Liebende bleiben. Familie braucht Eltern, die mehr an sich denken. Beltz, 2017.
Heisig, Marascha Daniela: Trotz allem: Liebe. Wie Paaren Versöhnung gelingt. Patmos, 2016.
Jellouschek, Hans: Wie Partnerschaft gelingt - Spielregeln der Liebe. Herder, 1998.
Mary, Michael: Die Beziehungstrickkiste. GU 2013.
Reisch, Elisabeth u. Eberhard Bojanowski: Beziehungsglück. Die Kraft der Großzügigkeit. Klett-Cotta, 2010.