Pubertät

Junge und Mädchen

Hilfe, mein Kind steckt in der Pubertät

Die Pubertät ist eine Zeit großer Unsicherheit - nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die Eltern, die sich plötzlich mit den Stimmungsschwankungen des Sohnes oder der Tochter auseinandersetzen müssen. Nicht umsonst gilt die Pubertät als eine der stärksten Belastungsproben für die ganze Familie. Denn Pubertierende brauchen starke Eltern, die ihnen Halt geben, wenn nötig Grenzen setzen, gleichzeitig aber auch Freiräume zur Entwicklung ermöglichen. Eine gute Balance zwischen Nähe und Distanz zu schaffen, ist keine einfache Ausgabe und benötigt vor allem Geduld, Verständnis und Respekt auf allen Seiten.

Eltern haben oft das Gefühl, von der Pubertät ihrer Zöglinge überrascht zu werden. Von einem auf den anderen Tag ist ihr kleiner Junge oder das kleine Mädchen verschwunden, und plötzlich sitzt da ein Teenager im Kinderzimmer. Ein Teenager, der nur noch einsilbige Antworten gibt, der alles ausdiskutieren möchte oder der sich nicht mehr an Regeln und Verabredungen hält. Es ist genau das eingetreten, wovor sich alle Eltern insgeheim fürchten: die Pubertät.

Mädchen sitzend auf Boden in Turnschuhen

© Splitshire/Pixabay

Doch, liebe Eltern, ihr seid nicht allein. Euren Söhnen und Töchtern geht es nicht anders. Auch für sie ist die Pubertät eine Zeit der Unsicherheit und Ängste. Anstatt die Augen vor dem Unvermeidlichen zu schließen, ist es ratsam, seinem Kind Hilfestellung zu geben, während es die stürmische See der Pubertät befährt. Nicht umsonst vergleicht der dänische Familientherapeut Jesper Juul Eltern mit einem Leuchtturm, der in regelmäßigen Abständen Signale aussendet, damit Kinder einen sicheren Kurs halten. Denn was Jugendliche in der Pubertät brauchen ist Halt. Das Wissen, da ist jemand, der für mich da ist, der mir Rückhalt gibt und an dem man sich orientieren kann. Zu dem man aber auch auf Distanz gehen kann und der Reibungsfläche bietet.

Die wenigsten Eltern kommen ohne Konflikte mit ihren Kindern durch die Pubertät. Da ist Geduld gefragt, sogar sehr viel Geduld. Jugendliche versuchen auf alle möglichen Arten zu provozieren. Sei es mit ihren Verhalten, Kleidung, Körperschmuck oder Ansichten, die einen zur Weißglut treiben. Übrigens, es ist kaum zu glauben, aber statistisch gesehen, erleben knapp 20 % der Jugendlichen eine unspektakuläre Pubertät.

Warum das alles?

Genügend Eltern würden ihre Kinder wohl am liebsten am Anfang der Pubertät abgeben und später wieder abholen, wenn alles durchgestanden ist. Aber wo bleibt da der ganze Spaß? Ja, die Pubertät ist nervenaufreibend und stressig. Ja, sie macht einem Angst. Doch ist es nicht auch spannend, sein Kind durch diese Zeit zu begleiten, zu sehen wie sich seine Persönlichkeit weiterentwickelt, und es Schritt für Schritt den Weg ins eigene Leben bestreitet.

Denn genau darum geht es: Der jugendliche Mensch wird in dieser Zeit auf das Erwachsenenleben vorbereitet. Indem sich Jugendliche von den Eltern abgrenzen und deren Werte in Frage stellen, entwickeln sie ihre eigenen Wertvorstellungen und ihre eigenen Weltanschauungen. Plötzlich haben die Hippie-Eltern einen Sohn, der mit Schlips und Krawatte zur Schule geht. Im umgekehrten Fall die bürgerliche Familie einen langhaarigen Rocker in ihrer Mitte sitzen. Da können schon einmal Welten aufeinander knallen. Wichtig ist es, miteinander im Gespräch zu bleiben und wirkliches Interesse zu zeigen.

Pubertierende müssen sich zu ihren Hauptbezugspersonen abgrenzen, um zu einer eigenen Individualität zu finden und selbstständig zu werden. Das Auflehnen gegen alte Ordnungen und traditionelle Werte bringt Neues hervor. Eltern dagegen haben Angst „ihr“ Kind zu verlieren. Besonders schwer fällt ihnen deshalb oft der Abschied vom letzten Kind in der Familie.

Regeln aushandeln

Gerade jetzt, wo der Jugendliche seine Eltern am weitesten von sich stößt, braucht er diese am meisten. Wenn alles im Wandel ist, hilft es bereits viel, zu wissen, da sind Personen, auf die ich mich verlassen kann und die mir Orientierung und Sicherheit geben. Unter uns: Das gibt natürlich kein Jugendlicher jemals offen zu. Regeln und Rituale helfen bei der Strukturierung des Alltags. Die Tochter möchte abends länger wegbleiben. Okay, zusammen kann eine Zeit ausgehandelt werden. Dafür wird sich an das Ritual des gemeinsamen Sonntagsessens gehalten.

Mutter und Tochter diskutieren

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Regeln sind nur der Rahmen für das Zusammenleben, sie sind nicht in Stein gemeißelt. Sie sind Verhandlungssache. Und dies bedeutet, dass man miteinander im Gespräch bleibt. Marie Luise Schrimpf-Rager vergleicht die Verbindung zwischen Eltern und Kind mit einem Gummiband: Mal ist Spannung darauf, mal hängt es durch, mal hat es Kontakt, mal hat es kaum Kontakt, aber die elastische Bindung ist immer da. Es ist ein Widerspruch in sich selbst: Eltern, die loslassen können, schaffen Nähe zu ihrem Kind.

 

Wissenschaftliches

Ohne dass Eltern oder Kinder viel mitbekommen, startet die Phase der Vorpubertät mit 8-9 Jahren durch einen von einem Gen ausgelösten Wachstumsschub, der weitere Hormone aktiviert. Von der eigentlichen Pubertät spricht man, wenn die erste Menstruation bzw. der erste Samenerguss stattgefunden hat. Diese Phase dauert bis etwa zum 16.-17. Lebensjahr an. Dann beginnt die Spätpubertät, auch Adoleszenz genannt.

Mädchen mit Kopfhörern auf Ohren liegt auf Bett

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Die Hirnforschung hat gezeigt, dass sich das Gehirn in der Pubertät erst richtig entwickelt. Kein Wunder also, dass Pubertierende ihre Gefühle oftmals nicht einordnen können oder die Achterbahn der Stimmungen sehr schnell von Hoch zu Tief fährt. Ganz zu Schweigen vom erhöhten Schlafbedarf, der dadurch ausgelöst wird, dass das Schlafhormon Melatonin ein bis zwei Stunden später im Körper ausgeschüttet wird als bei Erwachsenen. Das ist der Grund, warum viele Jugendliche bis in die Puppen aufbleiben können, am nächsten Morgen jedoch nicht aus dem Bett zu kriegen sind. Die Geschwindigkeit mit der Pubertierende Gefühle erkennen können, geht um bis zu 20 % zurück.

„Wegen Umbauten ist vor allem in folgenden Bereichen in den nächsten 2-3 Jahren mit Behinderungen zu rechnen: Impulskontrolle, Handlungsplanung und Umgang mit Emotionen. Wir entschuldigen uns für Unannehmlichkeiten und danken für Ihr Verständnis.“ (Gabriele Haug-Schnabel, Pubertät. Eltern-Verantwortung und Eltern-Glück)

Sexualität und Aufklärung

Wenn man heutzutage mit Eltern über die Sexualität ihrer Kinder spricht, kommen oft Sätze wie: „Die sind heute so viel weiter als wir damals waren - was die nicht alles wissen!“ oder „Das lernen die Jugendlichen doch alles aus dem Internet.“ Gerade aufgrund der Flut an Informationen, die im Internet verfügbar sind, wird die Unsicherheit der Jugendlichen in Bezug auf das Thema Sexualität noch größer. Was stimmt, was stimmt nicht? Eltern gelten noch immer als die Ansprechpartner Nummer 1, wenn es um Sex und Aufklärung geht. Dicht gefolgt von Freunden, Lehrer*innen, Schulunterricht und ja, dem Internet.

Mutter klärt Tochter auf

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Eltern sollten ihre Gesprächsbereitschaft signalisieren, ihren Kindern aber kein Aufklärungsgespräch aufzwingen. Vielleicht ist es auch gut, sich an die eigene Pubertätszeit zu erinnern. Wie wäre man selbst gerne aufgeklärt worden? Wie haben die Eltern einen damals aufgeklärt? Übrigens, Aufklärung muss nicht zwingend erst in der Pubertät geschehen. Kinder sind von Natur aus neugierig und stellen bereits im Kindesalter Fragen rund um das Thema Sexualität, die offen und kindgerecht beantwortet werden sollten.

Sobald ein Junge seinen ersten Samenerguss gehabt hat, ist er geschlechtsreif und damit zeugungsfähig. Das Gleiche gilt für Mädchen, die bereits ihre erste Periode hatten. Zu wissen, was mit dem eigenen Körper passiert und was Sexualität zu bedeuten hat, nimmt Ängste. Sehr hilfreich sind Bücher und Broschüren, die man den Jugendlichen entweder direkt anbietet oder die man im Zimmer wie beiläufig liegen lässt. Und auch das Internet bietet viele gute Informationsseiten über Liebe, Sexualität, Verhütungsmethoden, sexuelle Orientierung oder ungewollte Schwangerschaft.

Jugendportal der BZgA: www.loveline.de
ProFamilia: www.profamilia.de
Jung und Schwanger (BZgA): www.jung-und-schwanger.de

Freunde

Während der Pubertät tritt die Familie in den Hintergrund und der Freundeskreis in den Vordergrund. Freunde werden zu den wichtigsten Bezugspersonen im Leben eines Jugendlichen. In der Gruppe oder Clique erlernen sie soziale Kompetenzen und kommen in Kontakt mit dem jeweils anderen Geschlecht. Bei Freunden kann man sich über die Eltern und die Schule auslassen, man bekommt aber auch Kritik zu hören. Gemeinsame Interessen und Aktivitäten schweißen zusammen. In reinen Jungen- oder reinen Mädchen-Cliquen kann es auch zu Konkurrenzverhalten untereinander kommen. Innerhalb der Gruppe ist es zudem möglich, Grenzen auszutesten.

Mädchengruppe

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Eltern sollten ihre Kinder über möglichen Gruppendruck aufklären: Sie müssen nicht alles mitmachen, was die Gruppe macht. Auch hierbei kann es helfen, aus der eigenen Jugend zu erzählen. Wie ist man selbst mit solchen Situationen umgegangen? Jetzt kann man sich als Eltern die Freunde seiner Kinder leider nicht aussuchen. Da wird immer mal ein Freund oder eine Freundin sein, der oder die einem nicht passt. Oder man merkt, dass derjenige oder diejenige dem Kind nicht gut tut. Jugendliche brauchen Zeit und Vertrauen ihrer Eltern, um selbst dahinterzukommen, wer ihnen gut tut oder wer sie nur ausnutzt.

Alkohol, Zigaretten und Drogen

Verbote sind hierbei der falsche Weg. Denn was verboten ist, macht die Sache nur noch interessanter. Außerdem ist der Genuss von Alkohol und Zigaretten in der Gesellschaft anerkannt: Viele Eltern rauchen selber und/oder konsumieren Alkohol. Wer sein Kind über die Gefahren und Konsequenzen von Rauchen und Alkoholgenuss aufklären möchte, sollte auf jeden Fall auch seinen eigenen Konsum überdenken und vielleicht herunterschrauben.

Menschen auf Party

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Man kann sein Kind nicht vor Erfahrungen mit Alkohol, Drogen & Co. bewahren. Aber man kann das Kind stark machen gegen Sucht, indem man alles dafür tut, damit es einen vernünftigen Umgang damit entwickelt und genügend Selbstbewusstsein hat, um "Nein" zu sagen. Im Gespräch können Eltern ihrem Kind die Sorgen und Ängste, die sie mit diesem Thema verbinden, klarmachen und über Gefahren informieren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet auf www.drugcom.de Informationen zum Thema. Bei Bedarf sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Weiterführende Literatur:

Schrimpf-Rager, Marie Luise: Erwachsen werden. Ein Begleiter durch die Pubertät. Herder, 2010.
Haug-Schnabel, Gabriele u. Nikolas Schnabel: Pubertät. Eltern-Verantwortung und Eltern-Glück. ObersteBrink, 2008.
Juul, Jesper: Pubertät - wenn Erziehen nicht mehr geht. Gelassen durch stürmische Zeiten. Kösel, 2010.
Braun, Joachim: Jungen in der Pubertät. Die 100 wichtigsten Fragen. Rowohlt, 2011.
Damour, Lisa: Wenn Töchter erwachsen werden. Was Mädchen in der Pubertät brauchen. Kösel, 2016.
Jung, Matthias: Dein Ernst, Mama?! So peinlich kommen wir nicht mehr zusammen - das Pubertätsbuch für Eltern. Edel, 2019.